“Qingdao - a messy archive” 

Im Laufe des Rechercheprojekts „Qingdao – a messy archive“ wurde eine Vielzahl an Material gesammelt,reflektiert und diskutiert. Wie die Schichten einer Zwiebel legten sich dabei Erinnerungen und Geschichte(n) umeinander und in einem fortwährenden Prozess bildet sich daraus die private Archivsammlung des künstlerischen Teams. Zieht man diese Schichten nun auseinander, wird man sowohl der Vergangenheit als auch der Gegenwart begegnen und sich einem Archiv gegenübergestellt sehen, das sich auf unterschiedlichste Weise mit deutschem Kolonialismus in China und seinen Nachwirkungen befasst. Es fragt, Welche eschichten werden von wem festgehalten? Welche Geschichten und vor allem wessen Geschichten werden verdrängt? Wie lesen wir sie heute?
Anna:
Wenn ich die Augen schließe, rieche ich den Geruch von Papier. Alte und neue Seiten, dicht beschrieben oder bemalt. Ich sehe chaotische und ordentliche Handschriften und geradlinig nebeneinander gereihte Druckbuchstaben. Ich rieche Desinfektionsmittel. Achtung: Hinterlasse keine Spuren auf denen einer anderen Zeit. Ich berühre die Seiten. Sanft streiche ich darüber, spüre die Erhebungen zwischen Papier und Schrift. Wer hat sie beschrieben, wer sie gesammelt, wer bewahrt sie auf? Warum schaue ich sie mir an? Ich blättere durch die Seiten und ihre harten Kanten streifen meine Haut. Das Archiv ist das Gedächtnis einer anderen Zeit. Wer hat ihm erzählt was es behalten soll? Was hat es vergessen im Laufe der Jahre? Was erzählt es nun mir?
Hwuei:

Es ist ein stiller Ort. Eingedeckt vom Staub der Zeit. Etwas kühl. Die Papiere und Objekte stehen wie eingeschlafen in den Regalen. Oder liegen rum. Geordnet oder ungeordnet. Sortiert oder unsortiert.

Es sind Erinnerungen aus der Vergangenheit. Doch wessen Erinnerung? Erinnerung für was? Wer entscheidet was aufbewahrt werden soll?

Es sind Beweise, kalte Fakten, das etwas jemals existiert hat. Doch Beweise für was? Ist das, was dokumentiert worden ist, die Absolute Wahrheit? Wessen Wahrheit?
Ich fange an zu suchen, zu lesen, versuche zu Verstehen.

Es stößt ein Wirbelwind auf, der Staub verweht langsam, die kalten Dokumente werden plötzlich lebendig und bekommen Farben.
Es entsteht ein Chaos in der vorgegebenen Ordnung, das wieder geordnet werden muss.

Durch mich. Für meine Interessen, mit meinem Verstand.
Doch die vorhandenen Dokumente reichen vielleicht noch nicht.

Wo ist die nächste Quelle, gibt es da draußen jemanden, mit dem ich mich austauschen kann

Annika:

Eine Archivausstellung für alle, genauer: für sehende Theaterinteressierte 15+, also geboren im digitalen Zeitalter oder früher, mit oder ohne Chinabezug.

In einem Archiv suche ich mit System. In einer Ausstellung schlendere ich durch die Räume und lasse mich ein auf das, was sich meinen Sinnen darbietet.

Es wird sich etwas zwischen den Bildern und Texten abspielen, vielleicht entstehen Geschichten, vielleicht tun sich Zwischenräume auf wie schwarze Löcher. Absichtlich festgehaltene Momente, rätselhafte Fundstücke, Dokumentreihen, Dokumentgruppen erwarten mich.

Ich bin die erste Testperson. Ich bin gespannt. Wie werde ich durch die Räume geleitet? Werde ich begleitet? Vielleicht verliere ich die Orientierung. Muss ich etwas vorwissen? Wie steht es um meine Handlungsmacht? Apropos, brauche ich Handschuhe?

Oh, ich komme nicht weiter. Ich stecke in einer Sackgasse. Das System stottert.

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Mathias:

Was meinen wir, wenn wir von einem Archiv sprechen?
Wer ist dieses wir?
Welche Sprache benutze ich?
Wessen Worte sind im Archiv zu lesen? Wer hat die Strukturen des Archives aufgebaut? Wer hat das Archiv gebaut, initiiert?
Wer kann das Archiv besuchen?
Was wird dafür benötigt?

In cultural discourse, in the art world and in political activism, the term “archive” has mostly become a generalised metaphor for different kinds of collections of traces from the past. While in public discourse the archive is mostly (mis-)understood as the “content” of the archive (its records, its data banks), in archival sciences the term rather refers to the organising structure. Against intellectual or artistic fantasies of “the anarchival” (Fürlus & Giannetti 2014), the digital archive is still rigorously rooted in its techno-mathematical structure, while the dynarchive lies between the archival and the anarchival spheres. (Wolfgang Ernst)

(…) In a similar way to museums and other traditional institutions of the European nation states (though their roots are of course much older), the archives have in the last decades undergone significant changes towards higher accessibility and transparency, facilitated mainly through the advances of the digital technologies. These changes have resulted in new challenges which offer unforeseen possibilities for democratisation both in terms of access and knowledge production by new, often marginalised, voices. (…)

decolonising archives
Quelle: https://e-artexte.ca/id/eprint/30628/1/03-decolonisingarchives_pdf-final.pdf


馨慧:


從前,每當去圖書館、參觀博物館、甚至政府機構,總會看到一間叫做「檔案室」的房間。
沒有經過事前申請,通常是進不去的。
其實我還真的沒有興起過要進去檔案室的念頭。
老實說我也沒有關心過檔案室裡收藏的會是什麼樣的檔案。
電影和影集裡總是將這個房間詮釋成什麼機密要件的保存處所。
我的想象中,除了紀錄哪個館藏什麼時候入館之類的枯燥資料,大概就是圖書館或博物館收藏沒在展出的藏品或特別珍貴的書籍物件的部門吧。
感覺離我很遠,摸不太到。
檔案室,就像那三個字一樣,感覺冰冷冷的,拒人於千里之外。

MESS
Y ARCHI
VE
混亂檔案館
“Qingdao - a messy archive” 

During the research project „Qingdao - a messy archive“ a lot of material was collected, theorised und discussed. Memories and (hi)stories came together like the layers of an onion, and in a permanent process the collection of a private archive of the creative team developed. If you now pull apart those layers, you will be confronted with the past as well as the present and with an archive, which in many different ways deals with German colonialism in China and it’s aftermaths. The question remains, which stories are preserved by whom? Which stories, and especially whose stories are suppressed? How do we read them today?